Sehnsucht

Betend zwischen grauem Stein
in grauen Kirchenmauern
– derweil dort draußen Sonnenschein,
es jubilieren Vögelein –
: seh ich Nordmenschen kauern.:

 

Auf heilgem Thingplatz, hehr und alt,
wo einst die Linde stand,
Kapellenmauern ragen kalt,
wie ein Dorn im grünen Wald,
: und Demut kriecht durchs Land.:

 

Das war der Donar-Eichen Not,
sie fällten uns’re Haine,
sie schlugen unsre Weisen tot,
die Aller färbte sich blutrot,
: sie stürzten uns’re Steine.:

 

Wo einst in heil’ger Osternacht
Quellwasser hillig rann,
da schöpfen keine Mädchen mehr,
von Elfenzauber bar und leer,
: dort ruht der Kirchenbann.:

 

Entzaubert wurde unsre Flur
und götterleer die Welt.
Wo blieben all die Trolle nur?
Von Zwerg und Alben keine Spur.
: Das Land es wurd entseelt.:

 

Wie kann ich Göttern nahe sein
in einem Kirchenhaus?
Dort spür ich nicht den Wind im Haar.
Dort ist die Luft nicht frei und klar.
Mein Herz es drängt hinaus,
: in Baldurs Licht hinaus.:

© Swantje Swanhwit

   
Link zur Hörprobe:  Sehnsucht Hörprobe

Thingplatz = Kult-, Versammlungs- und Gerichtsstätte
Donareichen = dem Donnergott Donar (Thor) geweihte heilige Eichen.

Aller = Fluß in Niedersachsen. Bei Verden am Ufer der Aller fand das Blutgericht Karl des Franken statt, an dem er 4500 sächsische Edelinge enthaupten ließ.