Brot und Spiele

"Arena frei! Die Tore auf!"

Hungrig tanzen Löwen auf.

Zitternd steht die junge Schöne

in dem heißen Sonnenlicht.

Schreckensbleich die zarten Züge –

dann das klare Auge bricht.

 

Junges Blut rinnt ... kaum beachtet.

Schreie gellen ... ungehört.

Gähnend wird der Mord betrachtet:

Kein Erbarmen. Nichts empört.

 

In den vollen Zirkusreihen

Schwatzen übertönt das Schreien.

 

"Seht!" Sie gaffen. Menschenmassen.

Schöner Frauen kühles Hassen.

Seidig rascheln teure Kleider.

Träge grunzen fette Leiber.

 

Und der reiche Kaufmann lächelt,

reicht der Gattin Nüsse hin.

Diese flirtet keck und fächelt ...

Wieder Tote ohne Sinn.

 

Dann betritt der vielgelobte

Held kühn den Arenensand.

Der von wildem Mord umtobte

hält die Waffe in der Hand.

 

Wilde Spannung in der Menge.

Löwen treiben in die Enge.

Männer, Weiber gierig schauen:

"Ach, so herrlich ist dies Grauen!"

 

"Da!" Die scharfen Krallen packen.

Wildes Brüllen. Kämpfen. Hacken.

Schweiß und Blut in großen Flecken

überall den Boden decken.

 

"Zu schnell ging dieser Streit vorbei!",

enttäuscht die Massen seufzen,

und vorm nächsten Todesschrei

muß man sich kurz schnäuzen.

 

So viel Sterben. So viel Tod.

Doch, wen kümmert diese Not?

Bei dem Weine und dem Essen

wird so schnell, so gern vergessen.

 

"Ach, zuende schon die Kämpfe?"

(Leises Rülpsen ... Magenkrämpfe!)

"Seht! Man trägt die Toten raus ...

 

Liebling, mach das Fernsehen aus!"

 

 

 

© Swantje Swanhwit, 1997